FAZ; 1.11.2018

GTR Teil 9

von Habbo Knoch

Karachi – Unübersehbar: Mit ihren Reflektoren in leuchtendem Gelb und Orange und dem roten Schriftzug EDHI trotzen die Ambulanzwagen dem überbordenden Verkehr in Pakistans größter Stadt. Als der viel geehrte Philanthrop Abdul Sattar Edhi 1957 die ersten Vans fahren ließ, stand Karachi schon zehn Jahre lang ganz im Zeichen des Zustroms muslimischer Flüchtlinge aus Indien. Er war einer von ihnen. Die Provinzstadt wurde in den Jahren danach immer mehr zur Metropole der Heimatlosen – aus dem Punjab kamen sie, aus Bengalen nach der Abtrennung von Bangladesch, aus Myanmar verfolgte Rohingya. Boom, Krise und Putsch machten Karachi zur gefährlichsten Stadt der Welt. Anfang der 1990er Jahre waren alle Ambulanzen dauernd im Einsatz. Edhi war dem nah und fern zugleich. Den Wahnsinn der Gewalt in seiner Stadt wie auch den in Papua-Neuguinea oder am Horn von Afrika konnte er „gleichzeitig durch die Schleier von zweierlei Sitten“ (Thomas E. Lawrence) betrachten. Wer wird die Geschichten so bewahren wie Edhi, der 2016 starb? Wer wird sie noch kennen, wenn sich die Täter aus der Verantwortung stehlen? „Shaking and shaking his head in irritation“ (Rabindranath Tagore) sieht Edhi uns dabei zu wie jeder Zeuge, der auf Gerechtigkeit hofft.

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